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Wundverschluss nach Baumschnitt – so versiegeln Sie die Schnittfläche

Apfelbaum schneiden

Am Wundverschluss an Bäumen nach dem Rückschnitt scheiden sich die Geister. Für die Fürsprecher einer Versiegelung der Schnittflächen ist es eine unverzichtbare Maßnahme. Die Gegenseite proklamiert mit Vehemenz das Märchen vom Wundverschluss. Das sorgt unter Hausgärtnern für Unsicherheit, die dieser Ratgeber aus dem Weg räumt. Lesen Sie hier, warum es sinnvoll ist, auf die Selbstheilungskräfte eines Baumes zu vertrauen und von einer Versiegelung abzusehen. Gleichwohl ist es unter speziellen Rahmenbedingungen für den Heilungsprozess vorteilhaft, eine Schnittwunde fachmännisch zu behandeln. So machen Sie es richtig.

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Trugschluss Wundversiegelung

Moderne Erkenntnisse in der Baumkunde haben den Wundverschluss nach dem Baumschnitt als Trugschluss entlarvt. Über viele Jahrzehnte versiegelten Gärtner Schnittwunden luftdicht mit Wachs, Baumteer, Dispersionsfarben und ähnlichen Mitteln. Im besten Glauben, ihren Baum bei der Heilung seiner Wunden zu unterstützen und vor Pilzbefall zu schützen, bewirkten Hobbygärtner das Gegenteil. Warum zahlreiche Gehölze in der Folgezeit dennoch ihr Wachstum einstellten, erkrankten und sogar abstarben, blieb lange Zeit ein Rätsel.

Erst Mitte der 1980er Jahre brachten die Forschungsergebnisse des amerikanischen Forst-Wissenschaftlers Alex Shigo Licht ins Dunkel. Der ‚Vater der modernen Baumpflege‘ zerlegte mehr als 15.000 Bäume mit der Säge, um die Reaktion im Holz auf diese Verwundung zu untersuchen. Er fand heraus, dass die Wundheilung in einem Baum vollkommen anders verläuft, als bei Mensch und Tier. Auf eine Hautverletzung beispielsweise an der Fingerkuppe kommt ein Pflaster. Innerhalb kurzer Zeit werden die alten, verletzten Zellen durch neue, identische Zellen ersetzt, sodass der Fingerabdruck ein Leben lang unverändert bleibt. Bäumen fehlt diese Fähigkeit der identischen Reproduktion verletzten Gewebes. Sie gehen nach einer anderen Strategie vor, die durch Pflaster in Form von Wundverschluss behindert wird.

Die Quintessenz von 26 Jahren intensiver Forschung lautet: Wundverschluss verhindert Fäulnis und Krankheiten nicht, sondern bewirkt das Gegenteil. Mit dieser Erkenntnis rüttelte er an den Grundfesten der traditionellen Baumchirurgie und löste ein Umdenken aus unter gewerblichen und privaten Baumpflegern.

Selbstheilungskräfte toppen Wundverschluss

Um die Erkenntnisse von Alex Shigo nachvollziehen und im eigenen Garten umsetzen zu können, ist ein kurzer Ausflug in die Baum-Biologie hilfreich. Der folgende Überblick zeigt in vereinfachter Form den Ablauf im Holz nach dem Baumschnitt auf:

  • Verletztes Gewebe im Holz verheilt nicht, wie bei menschlicher Haut
  • Stattdessen wird die Wunde vom Rand her mit einer Kallusschicht überwallt
  • Das verletzte Holz wird abgekapselt und zersetzt sich
  • Über einer Abschottungslinie zum faulenden Wundholz bildet sich frisches, aktives Holz (Kambium)

Nach einem Baumschnitt findet somit ein Wettlauf statt zwischen dem Wachstum jungen Kambiums und der Zersetzung des verletzten Gewebes. Je zügiger und ungehinderter die Überwallung einer Schnittwunde erfolgt, desto weniger Schaden wird durch das absterbende Holz angerichtet.

Es liegt auf der Hand, dass ein Wundverschlussmittel diesen Prozess erheblich beeinträchtigt. Frisches Kambium trifft auf eine chemische Barriere und kann das sich zersetzende Gewebe nicht zügig genug überwallen. Im Wettlauf mit der Fäulnis kommen die natürlichen Selbstheilungskräfte ins Hintertreffen, sodass schlimmstenfalls der gesamte Ast oder Stamm dem Verfall hilflos ausgeliefert ist.

Apfel - Baumschnitt

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Versiegelung der Schnittfläche Keimen und Pilzsporen in die Hände spielt. Der Wechsel zwischen Sonne, Regen, Wärme und Kälte ruft Risse innerhalb der Versiegelung hervor, die pathogene Keime als willkommene Eintrittspforte nutzen. In Kombination mit bereits vorhandenen Mikroorganismen, im angenehmen Mikroklima unter dem Schutzfilm schreitet die Zersetzung munter voran, während die heilende Überwallung durch frisches Kambium behindert wird.

Tipp:

Der Blick auf einen Holzquerschnitt einige Jahre nach einer Verwundung macht deutlich, dass ein Baum beschädigtes Gewebe aufgibt und einfach mit frischem Holz überwallt, um sein Wachstum fortzusetzen. Auch ohne Querschnitt ist dieser Prozess anhand von Ausbeulungen im Stamm optisch nachzuvollziehen.

Wann sind Wundverschluss-Mittel sinnvoll?

Mittel für den Wundverschluss rigoros aus dem Garten zu verbannen, ist dennoch nicht empfehlenswert. Unter speziellen Rahmenbedingungen kann die Versiegelung von Schnittflächen sinnvoll und vorteilhaft sein. In den folgenden 2 Ausnahmefällen greifen Sie Ihrem Baum mit einer Behandlung von Schnittwunden hilfreich unter die Arme:

Winterschnitt

Für eine Vielzahl von Baumarten ist im Winter die beste Zeit für einen Form- und Erhaltungsschnitt. Da sich Gehölze zwischen November und Februar in ihrer Saftruhe befinden, kann sich kein Kambium bilden, um Schnittwunden zu überwallen. Damit diese Zellteilungs-Schicht am äußeren Wundrand bis zum Beginn der Vegetationsperiode nicht erfriert oder vertrocknet, wird an dieser Stelle ein Wundverschluss-Mittel aufgetragen. So machen Sie es richtig:

  • Mit einem scharfen Messer den Wundrand glätten
  • Den Rand mit einem Wundverschluss versiegeln
  • Die Schnittfläche nicht vollständig bestreichen

Das wertvolle Kambium ist als erste Schicht unter der Rinde zu erkennen. Lediglich dieser äußere Ring wird im Winter versiegelt, damit im Frühjahr der Selbstheilungsprozess ungehindert einsetzen kann.

Abgeplatzte Rinde

Entstehen oberflächliche Wunden, weil die Rinde abgeplatzt ist oder infolge von Wildverbiss beschädigt wurde, liegt eine größere Kambiumschicht ungeschützt frei. Dieser Sonderfall ist ebenfalls ein Einsatzgebiet für Wundverschluss-Mittel. Jetzt geht die Gefahr nicht aus von Pilzen, Schimmel oder Schädlingen. Vielmehr drohen größere Flächen ohne Rinde zu vertrocknen. Hier tragen Sie die Versiegelung auf der freien Holzfläche auf, bis sich darüber eine frische Borke gebildet hat.

Tipp:

Schadstellen infolge von Rindenablösung können alternativ mit schwarzer Folie bedeckt werden, bis sich aus den Kambiumresten eine neue Borke gebildet hat. Ebenso verhindert wiederholtes Bestreichen mit Lehm eine Austrocknung während der Bildung neuer Rinde.

Empfehlenswerte Wundverschluss-Mittel

Seit sich die traditionelle Baumchirurgie umorientiert in Richtung einer biologisch basierten Baumpflege nach Alex Shigo, nimmt das Angebot an Wundverschluss-Mitteln auf dem Markt stetig ab. Übrig geblieben sind ökologisch sinnvolle Präparate, die nach einem Winterschnitt oder einer Rindenablösung den Heilungsprozess unterstützen. Die folgenden Produkte haben sich als empfehlenswert herauskristallisiert:

Wachs-Harz Kombination von Schacht

Das Produkt basiert auf Harzen, die von Bäumen nach Verletzungen auf natürliche Weise abgesondert werden. Diese Harze vernichten Bakterien sowie Pilzsporen und fördern die Narbenbildung. Das Baumwachs ist in unterschiedlichen Konsistenzen erhältlich. Als Paste lässt es sich leicht auf Wundränder verstreichen, als Flüssigmittel fließt es in größere Rindenrisse oder erleichtert als Spray die Behandlung schwer erreichbarer Baumwunden.

Lauril Baumwachs von Neudorff

Das Produkt wurde speziell entwickelt für die Behandlung von Schnittstellen im Rahmen von Veredelungsarbeiten an Obst- und Ziergehölzen. Die Zusammensetzung aus Naturharz und Wachs empfiehlt das Mittel zugleich als Wundverschluss nach dem Rückschnitt oder einem Auslichten an empfindlichen Gehölzen. Angereichert ist Lauril Baumwachs mit Fungiziden, sodass bei der Anwendung entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu beachten sind.

Lac Balsam von Compo

Apfelbaum schneiden

Der innovative Wundverschluss von Compo punktet mit mehreren Vorzügen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Versiegelungsmitteln ist Lac Balsam atmungsaktiv. Das Präparat ist einfach aufzutragen, da es nicht tropft, rasch trocknet und zuverlässig abdeckt. Aus optischer Sicht erweist sich als Vorteil, dass die Paste rindenfarbig ist, sodass erst bei näherem Hinsehen die Behandlung zu erkennen ist. Mithilfe der praktischen Bürstentube wird der Balsam 2 cm über den Wundrand hinaus verteilt, nachdem die Fläche zuvor mit einem Messer geglättet wurde.

Tipp:

Wundverschluss nicht bei Regen, Frost oder großer Hitze anwenden. Der ideale Temperaturbereich für maximale Effektivität erstreckt sich von 5 bis 30 Grad Celsius.

Schnittführung ist wichtiger als Wundverschluss

Anstatt einen Baum nach dem Schnitt mit kontraproduktiven Wundverschluss-Mitteln zu traktieren, leistet eine fachmännische Schnittführung wertvolle Hilfestellung im Heilungsprozess. Zwei Faustregeln fassen zusammen, worauf es ankommt:

  • Beim Schnitt nur das Gewebe verletzen, das zum abgeschnittenen Ast gehört
  • Je kleiner die Schnittwunde, desto effektiver die Abkapselung und Heilung

Was bedeutet das konkret für die Schnittführung?

Die meisten Astverzweigungen enden in einem deutlichen Wulst, dem sogenannten Astring oder Astkragen. Dieser Kragen entsteht, weil das Gewebe sowohl den dickeren als auch den untergeordneten Ast umschließt. Schneiden Sie nun den dünneren Zweig ab, sollte auf keinen Fall der Astring mit Mitleidenschaft gezogen werden. Daher ist unter Baumexperten die Rede von einem ‚Schnitt auf Astring‘, bei dem die Schere in kurzer Distanz zum Wulst angesetzt wird.

An der Schnittstelle entsteht ein Astloch, weil sich dort das Gewebe des abgeschnittenen Zweigs zersetzt. Hier erfüllt das Kambium seine Aufgabe und überwallt die Wunde, was zu der typischen Baumhöhle führt. Aufgrund der richtigen Schnittführung zersetzt sich einzig das Gewebe, das dem entfernten Ast zuzuordnen ist. Alle anderen Teile des Baums bleiben von diesem Vorgang unbehelligt.

Schnittwunden mit einem Durchmesser von mehr als 5 cm werden nur sehr langsam oder überhaupt nicht überwallt. Es ist daher sinnvoll, einen Baum regelmäßig und moderat zu schneiden, statt selten und radikal. Das verhindert große Wundflächen die aufgrund ihrer Fäulnisbildung den gesamten Baum in seiner Stabilität schwächen, unabhängig davon, ob Wundverschlussmittel aufgetragen wurden oder nicht.

Fazit

Dieser Ratgeber zeigt auf, warum Wundverschlussmittel nach einem Baumschnitt ausgedient haben. Umfangreiche Forschungsergebnisse belegen, dass die Versiegelung von Schnittflächen die Selbstheilungskräfte von Gehölzen erheblich stört. Zugleich leisten Baumwachs und Co. keinen Beitrag zum Schutz vor Fäulnis, Pilzen und Bakterien. Im Gegenteil fühlen sich pathogene Keime unter der Versiegelung bestens aufgehoben. Ausnahme vom Verzicht auf Wundverschluss gilt für einen Schnitt inmitten der Winterzeit sowie infolge von Rindenablösung. In allen anderen Fällen trägt eine fachmännische Schnittführung maßgeblich dazu bei, dass der verwundete Baum seine Selbstheilungskräfte aktiviert und die Wunde zügig überwallen kann.

Autor Garten-Redaktion
Ich schreibe über alles, was mich in meinem Garten interessiert.

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